“Die Fähigkeit, Informationen zu bewerten und überprüfen bevor sie verbreitet werden, ist mittlerweile für alle Menschen zu einer wichtigen Grundkompetenz geworden.”
Thomas Prager ist Geschäftsführer des Digitalen Kompass (www.digitalerkompass.at). Prager und sein Team sind Experten, unter anderem beim Thema Falschmeldungen im Internet. Im Gespräch erklärt Prager, welche Risiken Online-Falschmeldungen birgen, welchen Einfluss hier die Corona-Pandemie hatte und er verrät außerdem, wie die Resistenz gegenüber Falschmeldungen flächendeckend gestärkt werden kann.
In einer zunehmend digitalisieren Welt wachsen auch die Zahl der Online-Nutzer*innen und auch viele Menschen ohne eine hohe Medienkompetenz nutzen soziale Netzwerke. Welche Risiken gibt es, wenn Menschen ohne hohe Medienbildung etwa Falschmeldungen oder Verschwörungstheorien lesen?
“Bei der Vielzahl an Informationen, die jeden Tag auf uns einprasseln, ist es sehr schwierig geworden, gut recherchierte, glaubwürdige Inhalte von Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen zu unterscheiden. Damit haben wirklich viele Menschen aller Altersgruppen und Bildungsniveaus Probleme. Daher besteht, dass Risiko, dass sie an Falschmeldungen glauben und diese sogar weiter verbreiten. Das kann für die Einzelperson dann peinlich sein, aber vor allem große gesellschaftspolitische Folgen haben. Wir merken gerade, wie schwierig es ist, eine Pandemie zu bekämpfen, wenn wir Probleme haben uns auf die grundlegenden Fakten dieser zu einigen und manche Menschen die grundsätzliche Existenz des Virus abstreiten. Doch wenn wir kein gleiches Bild der Realität mehr haben, erschwert das den demokratischen Diskurs und Konsens, der für unsere Demokratie essentiell ist.”
Sind Falschmeldungen, gerade im Internet, während der Corona-Pandemie zu einem noch größeren Problem geworden, als sie es ohnehin schon waren?
“Ja. Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen gedeihen gerade in Zeiten von gesellschaftlichen Umbrüchen und der Unsicherheit. Das haben wir speziell am Anfang der Pandemie gemerkt. Die WHO hat zu diesem Zeitpunkt sogar auch von einer Infodemie gesprochen, also von einem zweiten gefährlichen Infovirus, was sich in Form von Falschmeldungen verbreitet und ebenso gefährliche Konsequenz haben kann.”
Was kann unternommen werden, um die Resistenz gegenüber Falschmeldungen in der Bevölkerung flächendeckend zu stärken?
“Wir verfolgen die Vision einer redaktionellen Gesellschaft, welche der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen skizziert hat. Journalist*innen lernen in ihrer Ausbildung, Informationen zu bewerten und zu überprüfen, bevor sie diese verbreiten. Diese Fähigkeit ist mittlerweile für alle Menschen zu einer wichtigen Grundkompetenz geworden. Jeder Mensch sollte grundlegende Techniken der Informationsbewertung beherrschen und so selbstständig verschiedene Inhalte auf ihre Qualität und Glaubwürdigkeit überprüfen können. Denn mit unseren Smartphones sind wir alle in gewisser Weise zum kommunikationswissenschaftlichen Sender geworden und können selbst Inhalt verbreiten. Wenn wir Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen verbreiten, kann dies negative Auswirkungen haben. Wenn jedoch jeder Mensch Informationen selbst erkennen kann, würde das deren Verbreitung stoppen. Hierzu braucht es vielfältge Bildungsangebote für Menschen aller Altersschichten. Wir, von der Organisation Digitaler Kompass, setzen speziell bei Jugendlichen an und unterstützen Lehrer*innen, die neben all den anderen großen Herausforderungen des Lehrberufs noch Schwierigkeiten haben, sich auch dem Thema Medienkompetenz zu widmen. Wir entwickeln hierfür Unterrichtsmaterialien und gehen auch direkt an Schulklassen und geben dort analoge oder digitale Workshops.”