“Digitaler Wahlkampf ist ein Zukunftsmodell, ersetzt aber nicht den persönlichen Kontakt.“
Maike Malzahn ist Mitglied der CDU Rheinland-Pfalz, wo sie als persönliche Referentin des Generalsekretärs fungiert. Zudem leitet die studierte Historikerin das Wahlkampfteam vom Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner, MdL (Wahlkreis Mainz I). Gerade als Wahlkampfleiterin ist sie in Zeiten der Covid19-Pandemie auf neue, kreative und digitale Lösungen angewiesen, die Wählerinnen und Wähler auch ohne persönlichen Kontakt zu erreichen.
Gerade im Wahljahr 2021 steht der politische Wahlkampf im Fokus. Dieser findet, bedingt durch die Corona-Pandemie, allerdings deutlich digitaler statt als in der Vergangenheit. Wo siehst Du die Chancen des digitalen Wahlkampfs?
Digitaler Wahlkampf lebt von innovativen Formaten, die es auch schaffen, die eigene Bubble aufzubrechen. Letzteres kann vor allem dadurch gut gelingen, wenn man Formate mit Menschen im vorpolitischen Raum mit hoher eigener Reichweite durchführt, beispielsweise mit lokalen Micro-Influencern. Ein weiterer fast unschlagbarer Faktor ist die einfache Teilnahme an diesen Formaten: Die Hürde, sich in ein Insta-LIVE oder eine Podcast-Folge zu klicken ist deutlich geringer, als zu einer Podiumsdiskussion oder Abendveranstaltung einer Partei zu gehen. Das zu letzterem notwendige Commitment zur Partei ist hier geringer – man kann „mal reinschnuppern“, ob die Inhalte oder Personen zusagen. Als dritten entscheidenden Faktor sehe ich die Tatsache, dass digitaler Wahlkampf – generell die Politik im digitalen Raum – dem aktuellen Mediennutzungsverhalten stark entgegenkommt. Die Mehrzahl der Menschen checkt Nachrichten, die sozialen Netzwerke, Zeitungen oder eben Blogs und Podcast über das Smartphone, unserem dauerhaften Begleiter. Hier im Wahlkampf und im politischen Geschäft präsent zu sein, ist eine große Chance und bietet viel Potential, um gerade auch die junge Generation anzusprechen und zu erreichen.
Inwiefern kann die Politik durch die verstärkte Konzentration auf digitale Formate auch mehr junge Leute zu einem politischen Engagement bewegen?
Digitales ist – gerade für junge Menschen – Teil der Lebensrealität. Wir tracken unsere Laufroute ebenso selbstverständlich, wie wir Musik jederzeit über diverse Apps abrufen können oder problemlos unseren Mailverkehr auf dem Heimweg im Bus mit dem Smartphone erledigen. Politik und politisches Engagement kann man mit digitalen Formaten aus der angestaubten Ecke holen. Diese holen junge Menschen da ab, wo sie sich aufhalten: in den Sozialen Netzwerken, Podcast-Plattformen, Blogs. Meiner Meinung nach sind hier zwei Dinge ausschlaggebend: Diversität und Authentizität. Ersteres, weil unsere Gesellschaft genau das ist! Bunt und vielfältig und vor allem Meinungs-pluralistisch. Das sollte auch in der politischen Kommunikation durchdringen. Das signalisiert Offenheit gegenüber jedem, der sich engagieren möchte. Man will eben nicht nur den alten weißen Mann sehen!
Der Faktor Authentizität ist ebenfalls entscheidend. Nicht jedes Format oder jede Plattform ist für jeden oder jede politisch Aktive/n oder Interessierte/n etwas – und es darf nicht peinlich werden. Es muss eben einfach passen. Eine klare Definition von Zielgruppe und Image ist hier notwendig.
Im zurückliegenden Wahlkampf haben wir zum Beispiel einen Podcast im Wahlkreis Mainz gestartet. Vorab war es dem Kandidaten Gerd Schreiner wichtig, dass das Format zu ihm und der Stadt passt. Für uns war klar: bodenständig, einfach und mit klarer Mainzer Lebensfreude. So konnten wir viele spannende Gäste für den „Gutes Morgen Mainz-Podcast“ (Kein Tippfehler: Wir setzen uns ein für ein gutes Morgen in und für Mainz) gewinnen, die zuvor nicht politisch aktiv waren, es jetzt zum Teil aber bleiben.
Ist der verstärkt digitale Wahlkampf ein Modell für die Zukunft? Wird der „traditionelle“ Wahlkampf vielleicht sogar durch digitale Wahlkampf-Formate ersetzt?
Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen – so kann man das meiner Meinung nach zusammenfassen. Der digitale Wahlkampf ist definitiv ein Zukunftsmodell, aber – und auch so ehrlich muss man sich machen – das Digitale ersetzt nicht den persönlichen Kontakt. Die Menschen möchten Ihre Kandidatinnen und Kandidaten kennenlernen, wissen, wie „die so ticken“. Einige klassische Formate haben sich mehr und mehr überholt. Kein Wähler möchte mehr 26-seitige Broschüren lesen. Ich denke, gerade da kann man innovativer und ganz nebenbei auch umweltschonender werden. QR-Codes auf Postkarten-Flyern, die zu Vorstellungsvideos führen und natürlich interaktive, ansprechende Homepages, kamen im Landtagswahlkampf hier in Rheinland-Pfalz zusätzlich zur Social Media-Strategie gut an.
Und um noch einmal den Begriff umweltschonender aufzugreifen: Moderner, zukunftsgerichteter Wahlkampf ist nicht zur mit Technik und neuen Formaten zu Ende gedacht. Denken wir weiter: Mit gezielten, datenbasierten Potentialmailings und der Reduzierung von „Wurfmaterial“ flächendeckend in Briefkästen schonen wir massiv die Umwelt. Gleiches gilt für den Plakatwald, den man gerade in Großstädten sieht. Müssen denn wirklich an jeder Laterne gleich mehrere Plakate hängen? Machen wir uns im Wahlkampf bewusst, wie viele Ressourcen wir hier verbrauchen – teilweise leider sehr unnötiger Weise – und übernehmen wir dafür Verantwortung. Auch hier ein Beispiel aus unserem Mainzer Wahlkreis: Abgeordneter Gerd Schreiner hat seinen Wahlkampf (Fahrtkosten, Drucksuchen etc.) über eine Organisation in kirchlicher Trägerschaft mit Projekten im rheinland-pfälzischen Partnerland Ruanda klimaneutral gestellt. Auch so geht Zukunft!