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Digitale Union

„Die Bargeldabschaffung ist brandgefährlich“

Jan-Hendrik Dankwart ist studierter Finanzexperte und spricht mit uns über genau dieses Thema im Bereich der Digitalisierung.

Welche Formen der digitalisierten Arbeit erleichtern Ihnen bereits den Alltag?

„Wir schaffen uns Erleichterung durch Flexibilität und Vernetztheit. Flexibel sind wir dank unseres Servers und unserer Laptops. Ortsunabhängiges Arbeiten war bis heute Gold wert – vor allem vor dem Hintergrund der Pandemie. Unserer Telefonanalage ist es egal, ob sie auf den Festnetztelefonen im Büro oder auf den Handys funktionieren soll.
Derzeit stellen wir unsere Buchhaltung um, damit unser Steuerberater sofort auf unsere Belege zugreifen kann und wir keine Akten austauschen müssen. Außerdem soll auch die Belegerfassung und alle anderen Prozesse dahinter möglichst automatisch ablaufen. Ansonsten schätzen wir weiterhin den persönlichen Austausch. Da wir in der Finanzbranche zu Hause sind und sich unsere Kunden oftmals mit sechsstelligen Anlagewünschen an uns wenden, pflegen wir das direkte Gespräch.“

 

Was halten Sie von einer bargeldlosen Zukunft?

„Wenn ich alle Vor- und Nachteile einer bargeldlosen Zukunft abwäge, dann lautet mein Plädoyer ganz klar: von einer Zukunft ohne Bargeld halte ich gar nichts!
Es gibt selbstverständlich Befürworter der Bargeldabschaffung. Neben Komfort und Hygiene wird hier oftmals ins Feld geführt, dass Bargeld vor allem von Kriminellen eingesetzt wird. Mit einer Bargeldabschaffung kann Geldwäsche effektiv bekämpft werden. Das ist sicherlich nachvollziehbar. Aber die Nachteile wiegen meines Erachtens deutlich schwerer als die eben erwähnten Vorteile.
Der erste Nachteil, den ich nicht einmal als gewichtigsten ansehe: aktuell haben wir negative Zinsen. Ohne Bargeld könnten wir uns dem überhaupt nicht mehr entziehen.
Ich würde auch noch einen Schritt weiter gehen: die Bargeldabschaffung ist brandgefährlich! Es heißt nicht umsonst, dass Bargeld gedruckte Freiheit ist. Wir haben die Kontrolle über unsere intimsten Daten bereits heute großflächig verloren. Wir machen uns das oftmals gar nicht mehr bewusst, wo wir überall unseren digitalen Fußabdruck hinterlassen. Und das Tückische ist dabei, dass dieser Fußabdruck nicht im Sand gemacht wurde und er somit nicht mit der nächsten Flut wieder verschwindet. Alle Transaktionen werden ohne Bargeld protokolliert und können ausgewertet werden – vom Schnuller bis zum Sargnagel. Das ist sicherlich wünschenswert, wenn man es schätzt, personalisierte Werbung zu erhalten. Aber es geht auch ganz anders. 社会信用体系 ist chinesisch und bedeutet Sozialkredit-System zur Steigerung der Aufrichtigkeit in Regierungsangelegenheiten. Verhalte ich mich nicht konform, wird mir eine bestimmte Transaktion gesperrt. Oder ich kaufe in der Apotheke ein Mittel gegen Bluthochdruck und mein Krankenkassenbeitrag erhöht sich mit der nächsten Zahlung. Das ist nicht einmal mehr bloße Zukunft, das ist gelebte Realität – wenn auch weit weg von uns. Wollen wir so etwas auch nur ansatzweise bei uns zulassen?“

 

Wie gut – oder schlecht – ist Deutschland im internationalen Vergleich Ihrer Meinung nach für eine digitalisierte Wirtschaft vorbereitet?

„Vor 30 Jahren haben die Menschen von fliegenden Autos in der Zukunft geträumt. Heute wären wir froh, wenn wir überall schnelles Internet hätten. Wir sind viel zu spät dran! Die aktuelle Corona-Pandemie lässt uns das deutlich spüren, vor allem im Bereich Bildung. Viele Länder, auch wesentlich wirtschaftsschwächere Länder, waren hier schneller bzw. mutiger. Es erstaunt mich bis heute, dass sogar dünnbesiedelte Länder sehr viel schneller waren als unser dichtbesiedeltes Land. Schaut man in den aktuellen Digital Quality of Life Index von 2020, so erreicht Deutschland Platz 16 von 85. Der Cisco Digital Readiness Index von 2019 weist einen Platz 14 von 141 Ländern aus. Wo hapert es konkret, um in den Top 10 zu landen? Die Berichte meinen, dass wir vor allem Nachholbedarf in den Bereichen stabiles Breitbandinternet sowie einem passenden Umfeld für Start-Ups haben. Wir brauchen also Infrastruktur (stabiles Breitbandinternet) und auch Mut (passendes Umfeld für Start-Ups). Der Staat macht hier zu wenig – vor allem, damit Menschen den Mut finden, um unternehmerische Wagnisse einzugehen. Es geht eher um Regulierung. Das Resultat daraus kann man sehr gut an unserem Alltag festmachen. Welche digitalen Dienstleistungen nutzen wir mehrmals täglich und woher kommen diese Unternehmen? Oftmals kommen sie gerade nicht aus Deutschland oder aus Europa. Das ist bezeichnend. Mir macht das Sorgen, denn Innovation ist ein wesentliches Fundament für unseren Wohlstand. Woher wird unser Wohlstand von morgen kommen?“

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